Welche Kamera eignet sich für welchen Einsatz?

Judith Steiner

Judith Steiner

Videokraft-Trainerin. Über mich.

Webcam, Smartphone, Spiegelreflexkamera und Co.: Wir haben heute unzählige Möglichkeiten, um zu filmen. Eine Kamera, die sich für nahezu jeden Zweck eignet, gibt es nicht. In diesem Blogpost zeige ich dir die unterschiedlichen Vor- und Nachteile, damit du für jeden Einsatz die beste Kamera zur Hand hast.

 

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Webcam:

Die Webcam hat den Vorteil, dass ich sie stehen lassen kann und somit nicht jedes Mal neu einrichten muss, wenn ich beispielsweise ein Tutorial aufnehme. Die Handhabung ist sehr einfach und mit Quicktimeplayer ist das Video schnell aufgenommen – und die Datei habe ich auch gleich auf dem Computer.

Allerdings empfehle ich eine externe Webcam und nicht etwa die eingebaute zu verwenden: Dadurch kannst du die Webcam mit einem Stativ auf die richtige Höhe bringen und dich somit optimal ins Bild setzen.

Zudem ist die Bildqualität bei einer externen Webcam deutlich besser als bei einer eingebauten. Bei Aufnehmen sehe ich auf dem Bildschirm das Bild und kann beispielsweise mithilfe von Apps wie „Webcam Settings“ manuelle Einstellungen vornehmen.

Die Webcam hat aber auch Nachteile: Sie ist nur mit dem Computer einsetzbar, den Ton muss ich  über den Computer regeln und die Webcam kann ich nur fix an einem Platz verwenden. Für unterwegs ist sie nicht geeignet.

Smartphone:

Das Smartphone punktet damit, dass ich es immer dabei habe und damit alles festhalten kann. Mit ergänzenden Apps wird das Smartphone zum kleinsten Videoproduktionsgerät der Welt. Wie du dieses erfolgreich einsetzt, zeige ich dir in meinen Video-Kursen.

Aufgenommene Videos kann ich bei Bedarf direkt auf dem Smartphone nachbearbeiten und ins Internet laden. Auch Livevideos von überall sind möglich dank Apps wie Periscope und Facebook live.

Die Kompaktheit bringt aber auch Nachteile: Es gibt keinen optischen Zoom, wir haben nur eine kleine Linse und einen kleinen Chip. Damit bedingt haben Smartphone eine geringe Lichtempfindlichkeit, ermöglichen wenig Tiefenunschärfe und die Bildqualität lässt bei schlechten Lichtverhältnissen deutlich nach. Auch was den Speicherplatz und die Akkulaufzeit betrifft, gibt es Einschränkungen.

Ein wesentlicher Nachteil ist für mich aber: Ich kann das Display nicht drehen, beispielsweise für Selfie-Videos. Ich könnte zwar die Frontkamera verwenden, diese hat aber eine viel schlechtere Auflösung. Deshalb nehme ich Videos möglichst mit der Hauptkamera auf. Doch wenn ich ein Tutorial aufnehme und mich selber filme, ist das ein Problem, da ich nicht vor und hinter der Kamera gleichzeitig stehen kann. Ich weiss dann nicht, wie der Bildausschnitt aussieht. Also muss ich den Aufnahmeknopf drücken, mich vor die Kamera stellen, „hallo“ sagen und wieder hinter die Kamera gehen und im Video nachschauen, ob ich am richtigen Ort stand…

Sobald jemand anders die Kamera bedient, fallen diese Probleme weg.

Videocam:

Auch die Videocam ist klein und handlich, so dass wir sie gut in der Handtasche dabei haben können. Sie bietet im Gegensatz zum Smartphone einen optischen Zoom. Auch den Speicherplatz und die Akkulaufzeit kann ich beliebig erweitern, indem ich das Speichermedium oder den Akku wechsle.

Die möglichen Nachteile von Videocams hängen stark vom Modell ab. So haben beispielsweise eher günstigere Modelle keine Buchse für ein externes Mikrofon. Auch bieten Videocams wenig Möglichkeiten für manuelle Einstellungen: Je nach Modell gibt es keinen manuellen Fokus, so dass die Kamera bei Interviews oft den Fokus auf den Hintergrund wechselt und nicht das Gesicht der interviewten Person fokussiert.

Deshalb lohnt es sich, beim Kauf einer Videocam genau hinzuschauen. Achte unbedingt darauf, dass die Kamera einen Mikrofon-Eingang hat und du den Fokus manuell fixieren kannst.

Kleiner Fotoapparat:

Die Vorteile eines kleinen Fotoapparates sind vergleichbar mit denen einer Videocam: Der Fotoapparat ist klein und leicht, hat einen optischen Zoom und Speicher sowie Akku sind beliebig erweiterbar.

Allerdings gilt zu bedenken, dass Fotoapparate primär dem Fotografieren dienen. Dies bringt einige Einschränkungen mit sich: Wir haben eine begrenzte Aufnahmedauer, oft sind maximal zehn Minuten möglich pro Clip.  Zudem fehlt in der Regel die Möglichkeit, ein externes Mikrofon anzuschliessen.

Spiegelreflexkamera / Systemkamera mit Wechselobjektiven

Die Vor- und Nachteile einer Spiegelreflexkamera oder einer Systemkamera mit Wechselobjektiven hängen stark vom Modell ab.

Grundsätzlich gilt für diese Kameras: Sie haben eine gute Lichtempfindlichkeit und die Aufnahmen haben schöne Farben. Für schöne Bildgestaltung können wir verschiedene Objekte einsetzen, viel Tiefenunschärfe ist möglich. Beim Filmen können wir den Fokus fixieren und es sind manuelle Einstellungen sowie eine gute Kontrolle über das Bild möglich. Mit zusätzlichen Speichermedien und Zusatz-Akkus sind Speicherplatz und Akkulaufzeit beliebig erweiterbar.

Die Spiegelreflexkamera und Systemkamera eignen sich eher für szenisches Arbeiten. Die Arbeit mit diesen Kameras ist eher langsam, wenn man mit verschiedenen Objektiven arbeitet. Je nach Modell reagiert der Fokus langsam, da die Kameras aufs Fotografieren ausgelegt sind. Zum Teil fehlt eine Buchse für ein externes Mikrofon. Auch wenn eine Buchse da ist, gibt es nur eine Audiospur.

Weitere Nachteile: Es gibt keine ND-Filter (Neutraldichtefilter); bei starkem Sonnenlicht muss man zusätzliche Filter montieren oder mit grossen Blendenzahlen arbeiten und somit auf die Tiefenunschärfe verzichten. Auch ist die Kontrolle über die Belichtung manchmal schwierig, da Hilfsmittel wie Zebra oder Histogramm auf dem Display fehlen.

Wie auch beim Fotoapparat gibt es bei der Spiegelreflexkamera die begrenzte Aufnahmedauer von 10 Minuten.

Unterschied zwischen Systemkamera und Spiegelreflex:

Die Fotografen führen da eigene Diskussionen, aber auf einer Ebene, die beim Filmen etwas anders ist.

Die grossen Unterschiede liegen vor allem bei der Grösse und dem Preis. Systemkameras sind eher leichter, kleiner und vor allem günstiger. Sie bieten beim Filmen jedoch für weniger Geld meistens mehr Vorteile: Längere Aufnahmedauer bis zu 30 Minuten sind möglich; die Kameras eignen sich somit für längere Interviews oder fürs Aufzeichnen von Referaten. Grössere Systemkameras haben zudem fast immer einen Mikrofoneingang und eine Kopfhörerbuchse.

ENG, Electronic Newsgathering Camera / VJ Camera

Als letzte Variante stelle ich dir noch die VJ-Kamera beziehungsweise die „Electronic Newsgathering Camera“ vor.

Die ENG-Kamera bietet eine gute Lichtempfindlichkeit und ermöglicht mir manuelle Einstellungen und Kontrolle über das Bild. Ich kann den Fokus fixieren, habe praktisch unbegrenzt Speicherplatz und kann den Akku bei Bedarf austauschen.

Je nach Format und Speichermedium kann ich bis zu zwei Stunden am Stück filmen, was beim Dokumentieren einer Veranstaltung von Vorteil ist. Anders als bei der Spiegelreflexkamera habe ich zwei Audiospuren, verschiedene ND-Filter und einen grossen Zoom. Dank grossem Zoom kann ich an Veranstaltungen von hinten filmen, ohne den Gästen im Sichtfeld zu stehen. Zuletzt bietet mir die VJ-Kamera verschiedene Hilfsmittel wie Zebra, Histogramm oder die Anzeige des Audiopegels, so dass ich schon beim Filmen die volle Kontrolle über Bild und Ton habe.

Die vielen Vorteile der ENG-Camera bringen auch einige Nachteile mit sich: Die Kamera ist gross und schwer sowie teuer. Sie bietet im Vergleich mit einer Spiegelreflexkamera wenig Tiefenunschärfe und liefert kein „cineastisches Bild“. Aufnahmen einer Spiegelreflexkamera sind oft schöner, die Farben, die Kontraste, die Bewegungen…

Ein wesentlicher Nachteil der VJ-Kamera: Es braucht Erfahrung, um damit arbeiten zu können. Wer ungeübt ist mit den manuellen Einstellungen, ist mit einem Smartphone oder einer Videocam besser bedient.

Zusammenfassung

Die Übergänge zwischen den verschiedenen Kameras sind natürlich fliessend und die beschriebenen Vor- und Nachteile hängen stark vom jeweiligen Modell ab.

Damit du für jeden Verwendungszweck stets die am besten geeignete Kamera zur Hand hast, habe ich dir in der folgenden Tabelle nochmals alle Vor- und Nachteile zusammengestellt, die ich mit den verschiedenen Kameras erlebt habe:

Kamera_Zusammenfassung

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9 Antworten

  1. Danke. Sind wie immerl gute Tipps! Zur Ergänzung: Aufnahmedauer 10 Minuten für Fotokamera – bist du sicher? Meine Kameras haben alle eine Begrenzung von 29:59 Minuten, das scheint mir der Standard zu sein (zollteschnische Gründe). Als Kleinkamera verwende ich die Canon G7X, da kann man das Display hochklappen und hat damit ein Frontkamera-Äquivalent mit guter Qualität. Aus deiner Warte interessieren würden mich Fragen rund ums Mixen der verschiedenen Videostrecken im Schnitt – z.B. auf was muss ich achten, wenn meine Kameras nicht die gleich Bildfrequenz beherrschen (z.B. Canon 30/60 und Panasonic 25/50).

    1. Danke für das Feedback! Ich hatte einige Canon Kameras in der Hand, welche nur 10 Minuten aufnehmen konnten. Da habe ich aber wohl den falschen Schluss daraus gezogen. Kann gut sein, dass heute die meisten Fotokameras 10 Minuten aufnehmen können. Es ist ein rechtliches Problem. Mir hat das mal jemand von Canon erklärt. Wenn ein Fotoapparat länger als 29.59 aufnehmen kann, geht es rechtlich unter Videokamera. Dann wird die ganze Kamera teurer, weil man mehr Abgaben bezahlt für die „Suisa Gebühren“ oder so was ähnliches. Ich weiss es nicht mehr so genau, kann gut sein, dass es auch mit Zollgebühren zu tun hat.

      Wenn ich mit zwei unterschiedlichen Kameras filme, dann nehme ich wenn möglich in der gleichen Bildauflösung und der gleichen frame rate auf. Aber ich habe auch schon Material kombiniert, wo die Auflösung und frame rate verschieden waren. Wenn ich vor 5 Jahren ein iPhone Video mit einem Video von meiner Canon FX 100 kombinieren wollte, musste ich das iPhone Video, welches in 30p war, zuerst in einem Programm unkonvertieren. Danach konnte ich die beiden Spuren synchronisieren. Heute kann ich im Final Cut Pro X alle möglichen Formate miteinander kombinieren. Das ist wirklich erstaunlich. Auch für Multicam Projekte ist es meistens kein Problem. Wer genau hinschaut, sieht, dass die Bilder mit unterschiedlichen Kameras gefilmt sind, auch wenn ich Farben und Kontraste möglichst angleiche. Aber das sehen vor allem die geschulten Augen. So lange ich kein High End Produkt z. Bsp. für TV Werbung mache, finde ich das auch ok:-)

      1. Mixed footage: Ist auch meine Erfahrung. Ich sehe zwar jedes Mal Warnungen von meiner Schnittsoftware (Cyberlink Power Director), wenn ich die Clips einlese, aber ein echtes Problem ist es dann doch nicht, scheint mir.

  2. Hallo Judith

    Ich habe einen kleinen Nachtrag bzw. eine Korrektur für deine Liste. Fürs Web-Streaming kann man auch kleine und grössere Videokameras oder DSLR und nehmen. Man braucht einfach zusätzliche Hard- und Software.

    Die DSLRs (Canon und Nikon) kann man mit SparkoCam streamen. Ich habe das schon ausprobiert und es funktioniert recht gut. Zudem ist die Software mit 70$ erschwinglich.

    Für alle Geräte mit HDMI-Ausgang kann mit einem HDMI/USB-Adapter (ab ca. 150 CHF) und der entsprechenden Software wie z.B. Wirecast (ab ca. 500$) oder Open Broadcaster Software (gratis) ein Streaming realisiert werden.

    liebe Grüsse
    Chris

    1. Hallo Chris

      Vielen Dank für Deine Korrekturen. Ich habe die Tabelle nun angepasst und ein blaues Kreuz (mit zusätzlicher Hardware) bei den entsprechenden Geräten für Livestreaming und Videokonferenzen gemacht. Bei der Spiegelreflexkamera und der DSLR bleibt aber die Herausforderung der eingeschränkten Aufnahmedauer. Mein Mann Sam wollte auch schon Webinare mit meiner Systemkamera (Panasonic, Lumix, GH3) und zusätzlicher Hardware machen. Das Problem ist aber, dass die Kamera nach einer halben Stunde die Aufnahme unterbricht. Webinare dauern meistens länger als 30 Minuten. Die Videocam eignet sich aber auf jeden Fall.

        1. Vielen Dank, Fritz. Das ist cool. Ich habe die GH3 als Privat- und Zweitkamera, bin mir aber am Überlegen, die GH4 zu kaufen. Das ist doch ein Argument mehr!

  3. Der größte Vorteil aus meiner Sicht bei der Cam ist, dass sie mehr Spielraum für die Nachbearbeitung lässt. Die GH4 beeindruckt meiner Meinung nach auch durch die erweiterte Video-Funktion durch V-Log. Insbesondere all jene die dadurch einen erweiterten Dynamikumfang von Videoaufnahmen suchen werden ihre Freude damit haben.

    1. Hallo Susanne. Für Leute, die im Nachhinein richtig „Color graden“ wollen, ist das sicher ein grosser Vorteil. Als Videojournalistin hatte ich nur ein bisschen Zeit für Color Correction, da war das nicht sehr wichtig. Heute nehme ich mir mehr Zeit für die Nachbearbeitung der Farben.

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